Wie entwickelt sich die Sprache im ersten Lebensjahr


In meinem letzten Blogartikel zur motorischen Entwicklung habe ich versucht die Bedeutung der Motorik für die kindliche Entwicklung deutlich zu machen („Warum ist die Motorik so wichtig für die Gesamtentwicklung deines Kindes“).


Im Gegensatz zur Motorik ist die Sprache die einzige Fähigkeit, die Kinder nur im ständigen und unmittelbaren persönlichen Kontakt zu anderen Menschen erlernen und verbessern können. Sie brauchen Bezugspersonen, die ihnen eine sprachliche Anregung geben, Ihnen zuhören und sie verstehen. Als Sprechvorbild fördern wir die Kommunikationsfähigkeit unseres Kindes und unterstützen es beim Aufbau seines Wortschatzes, seiner Grammatik und seiner Artikulation.

Ablauf der Sprachentwicklung

Im Folgenden möchte ich euch einiges zur sprachlichen Entwicklung im ersten Lebensjahr erzählen. In dieser Zeit baut dein Kind seine Kommunikationsfähigkeit und sein Sprachverständnis deutlich aus.

Beobachtet man ein Baby im ersten Lebensjahr, dann stellt man fest, dass das Kind zuerst mit sehr viel Motorik spricht und die sprachlichen Äußerungen von Mitbewegungen des ganzen Körpers begleitet werden.

Alter bis 3 Monate

KOMMUNIKATION

Bereits in den ersten Lebenswochen verfeinert dein Baby seine Fähigkeit, Stimmen und Sprachmelodien wie z.B. singen, schreien oder liebkosen zu unterscheiden. Der Säugling beginnt mit einem Lächeln auf seine Umgebung – insbesondere auf Gesichter – zu reagieren. Durch dieses „soziale Lächeln“ gelingt es dem Baby mit anderen Menschen in Interaktion zu treten und aktiv eine Beziehung und Bindung aufzubauen. Die Mimik nimmt immer mehr zu und bewirkt bei den Eltern kommunikative Effekte, indem sie auf die Gesichtsausdrücke ihres Babys reagieren. Als Mutter oder Vater könnt ihr zunehmend besser die Äußerungen eures Babys deuten und entsprechend richtig reagieren. So gelingt es euch, euer weinendes oder unruhiges Baby im Arm haltend mit sanfter Stimme zu trösten, bis es sich beruhigt hat.

SPRACHVERSTÄNDNIS

Das Baby kann ab dem 2. Lebensmonat gezielt hören. Es reagiert auf laute Geräusche oder auf deine Stimme. Es wendet dir seinen Kopf bzw. seinen Blick zu und zeigt dir damit, dass es dich gehört hat.

ARTIKULATION

Das Baby entwickelt verschiedene Arten des Schreiens. Dadurch seid ihr als Eltern immer mehr in der Lage festzustellen, aus welchem Grund (Hunger, Schmerzen,…) euer Kind schreit. Mit etwa zwei Monaten beginnt das Baby mit interessanten Geräuschen und Lauten wie Gurren oder Schnalzen. Dann folgen erste, zunächst zufällige „Stimmübungen“. Greife diese Gelegenheit auf, deinem Kind zu „antworten“ , indem du seine Laute immer wieder nachahmst und veränderst. Dabei beobachtet dein Kind aufmerksam deinen Mund und deine Lippenbewegungen. Es lernt nun, die anfangs zufälligen Muskelbewegungen in Mund, Hals und Kehlkopf immer besser zu kontrollieren.

Schon bald antwortet dein Kind quietschend, brummend und juchzend, wenn du es ansprichst oder mit ihm spielst. Es erprobt mit wachsender Begeisterung seine Stimme. Es lacht und und bildet fröhlich vokalartige Laute wie „a“ und „i“.

Alter bis 7 Monate

KOMMUNIKATION

In der Kommunikation spiegelt das Baby mit Echolauten die Laute seines Gegenübers. Es erzeugt eine Vielzahl von „Lauten“. Es quietscht, juchzt, gurrt und lallt. Wenn es deinen Blick sucht, spiele und spreche mit deinem Baby. Im Rede- und Antwortspiel „antwortet“ dein Kind nun mit verschiedenen Lauten und Tönen. Es lauscht, wenn du die Töne nachahmst und wiederholst, und ist begeistert, wenn es dir erneut plappernd antworten kann.

SPRACHVERSTÄNDNIS

Das Richtungshören verfeinert sich und das Kind stellt eine Verbindung her zwischen Hören, Sprechen und Sehen. Ab dem 3. Monat entwickelt das Kind ein Verständnis für Stimmungen über den Stimmklang und die Satzmelodie.

ARTIKULATION

Das Kind befindet sich in der 1. Lallphase. Es bildet nicht nur die Laute aus seinem sprachlichen Umfeld, sondern alle Sprachlaute, die möglich sind.
In dieser 1. Lallphase geht es dem Kind nicht ums Sprechen, sondern um die taktil-kinästhetische Wahrnehmung im Mund- und Gesichtsbereich, also ums Ausprobieren wie es sich anfühlt, z.B. die Zunge nach oben oder unten, nach rechts oder links, nach vorne oder hinten zu bewegen. Es sammelt Erfahrungen, wie es sich anfühlt, den Mund zu öffnen oder zu schließen und dabei gleichzeitig ein- oder auszuatmen oder mit der Stimme zu experimentieren. 

In dieser Phase werden auch viele nicht-muttersprachliche Laute produziert. Die 1. Lallphase ist international und wird weltweit von den Babys benutzt.

Sogar gehörlose Babys, die keine Sprachvorbilder haben, durchlaufen die 1. Lallphase. Im Gegensatz zum hörenden Kind wird ihre Lautbildung jedoch nach und nach weniger, da das gehörlose Kind scheinbar keine Antwort erhält. Gegen Ende des ersten Lebensjahres verstummt es schließlich.

Alter bis 10 Monate

KOMMUNIKATION

Ab dem sechsten Monat reagiert das Baby auf das Rufen seines eigenen Namens und stellt zwischen sich und seinem Namen eine Beziehung her. In diesem steten wechselseitigen Austausch macht das Kind zunehmend die Erfahrung, dass es sich durch seine Lalläußerungen mitteilen und somit etwas bewirken kann. Es lernt, dass Verständigung Spaß macht! Während der „Brabbel-Gespräche“ mit der Familie übt sich das Baby im Nachahmen der Lautäußerungen seiner Umgebung und seiner eigenen Lautproduktion – einer wichtigen Fähigkeit für die weitere Sprachentwicklung

SPRACHVERSTÄNDNIS

Das Baby versteht erste Namen von Bezugspersonen und Gegenständen. Es wendet seine Aufmerksamkeit den genannten Gegenständen zu, wie z.B. einem Ball, wenn gefragt wird: „Wo ist der Ball?“ Die Gegenstände, ebenso wie Formen oder Farben sind anfangs jedoch noch untrennbar mit einem bestimmten Gegenstand verbunden: Nur sein blauer Ball ist ein Ball!

ARTIKULATION

Das Baby bildet Silben wie „ba“ oder „ga“ und lallt Silbenverdopplungen wie
„ba-ba-ba“ oder „ga-ga-ga“.

Alter bis 12 Monate

KOMMUNIKATION

Das Baby bildet Lallmonologe. Sein Mitteilungsbedürfnis steigt und es versucht über die Lallmonologe in Kommunikation zu treten.

SPRACHVERSTÄNDNIS

Anfängliche willkürlich gesprochene Silbenverdopplungen wie „mama“ oder „papa“ werden von der Umwelt des Babys begeistert aufgenommen und entsprechend verstärkt, so dass das Kind die Zusammenhänge zwischen den gesprochenen Silbenverdopplungen, wie z.B. „mama“ und „papa“ und deren Bedeutung (Mama, Papa) verstehen lernt. Lob und Ermutigung führen dazu, dass das Baby immer mehr zu sprechen versucht und sich motiviert fühlt, weitere Äußerungen zu machen.

ARTIKULATION

Das Baby bildet Lallmonologe mit wechselnden Silben, wie „ba-ga-mama-papa“

Gegen Ende des ersten Lebensjahres kann dein Kind wahrscheinlich bereits 50 bis 100 Wörter verstehen. Es reagiert richtig auf einfache Aufforderungen, wie z.B.: „Gib mir den Ball“, und zeigt auf Fragen wie: „Wo ist denn der Papa?“ auf seinen Vater. Es winkt, wenn es „Auf Wiedersehen“ hört, schüttelt den Kopf bei „Nein“ und klatscht in die Hände, wenn es sich freut.


Denke aber bitte daran, dass die Monatsangaben nicht in Stein gemeißelt sind. Jedes Baby ist anders und entwickelt sich in seinem eigenen Tempo! Manche Babys sind schneller oder langsamer, aber wenn keine krankhafte Entwicklungsverzögerung vorliegt, kommt jedes Baby ans Ziel. Bleibe entspannt, denn in einer liebevollen und sicheren Umgebung, in der jeder neue Entwicklungsschritt gelobt wird und du deinem Baby genügend Freiheit lässt Dinge auszuprobieren, hast du die Basis für die optimale Entwicklung deines Babys gelegt. Bist du aber unsicher, dann scheue dich nicht, deinem Kinderarzt deine Sorgen mitzuteilen!